Redaktions-Roboter – das Schreiben der Zukunft?

In einer der jüngsten Ausgaben der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Ausgabe 22 vom 28. Mai 2015, Willkommen, Kollege!) steht ein bemerkenswerter Artikel zum Thema, wie in Zukunft die Redaktion von Zeitschriften, Zeitungen, usw. von Robotern übernommen werden könnte. Redakteurinnen und Redakteure könnten also überflüssig werden. Und tatsächlich ist da etwas dran – in Teilen zumindest.

Doch wer soll da wen für was ersetzen? Ein Roboter wird nur dort eingesetzt, wo Rationalisierungen kommerziellen Erfolg versprechen. In der Automobilindustrie ist das seit Jahrzehnten üblich – und anderswo auch. Einen Redaktions-Roboter einzusetzen macht nur dann Sinn, wenn standardisierte Informationen schnell und in Mengen publiziert werden sollen und müssen und wo eine Textautomatisierung möglich ist. Das ist dann der Fall, wenn auf statistische Daten zurückgegriffen werden kann, deren Deutung sich in immer wiederkehrenden Mustern abspielt. Im Sport beispielsweise sind die Daten zu Fußballspielen allzeit bekannt: Spielzeit, Tore, Auswechslungen, Ergebnisse, usw.: Alles wird erfasst und kann gespeichert werden. Selbst die Kommentare zu den Ergebnissen wiederholen sich ständig. „Wir müssen offensiver spielen, tiefer stehen, …“ und dergleichen. In einen sinnvollen Textalgorithmus gepackt, können brauchbare allgemein gehaltene Texte konstruiert werden, die dem Leser, der das Spiel nicht gesehen hat, einen ersten informativen Überblick liefert.

Das Internet der Langeweile

Im Internet gibt es ähnliche Muster. Suchmaschinen sind darauf getrimmt, täglich alle weltweit vorhandenen und angemeldeten Webseiten zu durchforsten und herauszufinden, ob diese für einen Besucher mit einem speziellen Suchbegriff attraktiv genug sind. Daraus ergibt sich eine bessere Position im Suchmaschinen-Ranking. Eine bessere Platzierung bedeutet letztlich auch kommerziellen Erfolg. Das führt dazu, dass Internet-Redakteure am besten täglich neue Texte mit interessanten Suchbegriffen auf ihre Portale stellen, damit die Suchmaschinen auch wahrnehmen, dass sich dort etwas bewegt. (Ja, die Redaktionen schreiben nicht nur für die Leserinnen und Leser!) Das führt zu einem unweigerlichen Dilemma. Gute Redaktion benötigt Zeit und Kompetenz. Nicht jede Redakteurin und nicht jeder Redakteur kann zu allen Themen täglich Neues gehaltvoll schreiben. Gut zu schreiben bedeutet auch Zeit für Recherche, Formulierungen, usw. Also wird auf Kurzmeldungen oder News zurückgegriffen, die schnell geschrieben und mit Suchbegriffen versehen sind. Pflicht erfüllt! Da es allen Informationsportalen so oder so ähnlich geht, ist das Netz voller ähnlicher kurzer Meldungen mit gleichen Suchbegriffen. Also lässt sich hier wieder automatisieren. Textalgorithmen identifizieren die zusammenhängenden Begriffe, vergleichen – und schreiben neue Nachrichten. Das geht viel schneller und benötigt keine Redaktion. Nur wird damit das Internet in diesem Segment inflationär und die Nachrichten an sich werden langweilig.

Das Dilemma der Verlage

Larry Page, der Erfinder von Google, und seine Kumpanen haben es als einzige begriffen, wie man aus einem kostenlosen Informationsangebot Milliarden verdienen kann. Viele Verlage haben es nicht, sind mitgezogen und ruinierten sich bzw. haben sich auffallend nahe an den Abgrund gebracht. Erst waren die Online-Ausgaben der Magazine, Zeitschriften und Zeitungen der verlängerte Arm der Print-Ausgaben. Mittlerweile sind sie eigenständig und verlangen sogar eigene Redaktionen, denn die Internetschreibe ist allein schon aus Gründen der Suchmaschinenoptimierung eine andere. Nur: Refinanzieren tun sich die Online-Auftritte nicht – trotz wachsender Anstrengungen, Bezahlmodelle für Leser einzuführen. Aber das ist (noch) schwierig zu vermitteln. Warum soll man für etwas bezahlen, was man bis dato umsonst bekommen hat?

Hinzu kommen sinkende Anzeigenerlöse. Viele Werbungtreibenden sehen ihre Zielgruppen durch die Printmedien nicht mehr erreicht und investieren in den eigenen Internetauftritt, in Websites, Blogs und Shops. Das ist augenscheinlich günstiger als Anzeigenschaltungen in Printmedien. Dass diese Internetauftritte auch mit Content gefüttert werden müssen, wird kommerziell erstmal nicht berücksichtigt. Die Folge ist, dass Verlage sich den Verhältnissen anpassen müssen. Gespart wird wie so oft in den Redaktionen. Die Redaktionen haben immer weniger Personal, müssen mitunter doppelt schreiben (für das Internet mit) und dass mit extremer Schlagzahl. Keine guten Aussichten für Menschen und gute Gründe für Maschinen, die automatisierte Texte erstellen – auf Kosten der Beliebigkeit.

Das Dilemma der Online-Portale

Im Internet ist alles umsonst. Wer das glaubt, irrt, denn alles hat seinen Preis – auch das Internet. Tatsächlich sind die Produktionskosten einer Webseite im Vergleich zu der Herstellung eines gedruckten Mediums ungleich höher. Durch die niedrige Eintrittsbarriere ist es nun möglich, dass jede und jeder, der etwas zu einem Thema zu sagen glaubt, eine Internetseite aufbaut oder einen Blog einrichtet. Damit sind dem Nichtwissen, Halbwissen und Wissen gemäß handelsüblicher statistischer Verteilungsgesetze Türen und Tore geöffnet, was zu einem gigantischen Informationsbrei im Internet führt, indem es – trotz Suchmaschinenoptimierung – zunehmend schwerer fällt, die Fleischstücke guter Information zu finden.

Auf einmal sehen sich die Internetseiten-Betreiber in der Rolle der Redakteure. Auch sie müssen guten Content schnell liefern. Und erst jetzt erkennen sie, dass auch das Internet seinen Preis hat. Wer bei Google und Co. gelistet werden will, muss liefern: gut und schnell. Und jetzt trennt sich so langsam die Spreu vom Weizen. Denn so manche selbst ernannten Fachleute füllen die selbsterschaffenen Räume inhaltlich nicht aus und sind schnell überfordert. Es bleibt ihnen nicht viel zu sagen, wenn sie die Räume der Peinlichkeiten umgehen wollen. Allenthalben stürzen sie sich noch in die Veröffentlichung der bereits erwähnten Kurznachrichten oder News. Oder sie schreiben einfach voneinander  ab. Das ohnehin bestehende Problem des Internets wird damit um ein Kapitel reicher. Auch mit der Beständigkeit haben die neuen Betreiber so ihre Probleme. Jeden Tag neue Informationen für die Portale zu liefern erfordert Zeit – meistens Freizeit, weil im richtigen Leben der Lebensunterhalt woanders erwirtschaftet werden muss. Im Internet ist ja schließlich alles umsonst, was bedauerlicherweise zu keinen Einnahmen führt. Irgendwann verschwindet die Lust, die Freizeit für das Internet zu opfern. Das verstärkt sich, wenn die Erfolge (Response, Ranking) ausbleiben. Viele seit Jahren verwaiste Websites können als Beleg angesehen werden.

Hier helfen auch Redaktions-Roboter kaum weiter, denn auch sie müssten erstmal erworben werden und mit Leben ausgefüllt werden, nur um das zu erreichen, was ohnehin schon vorhanden ist.

Und was ist mit den professionellen Informations-Portalen? Sie halten naturgemäß von Textmaschinen nichts, schließlich geht es ja darum, die eigene Position zu stärken. Doch der anfänglichen Euphorie, den Verlagen von Printmedien endlich Paroli bieten zu können ohne den kostenintensiven Verlagsunterbau mitschleppen zu müssen, ist Nüchternheit gefolgt. Denn der Hype mitzuschwimmen, täglich neue Innformationen ausformuliert anzubieten, macht versierten Redakteuren und Textern zwar Spaß, doch wenn damit kein Geld zu verdienen ist, hört der Spaß abrupt auf. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich überraschend, zeigt aber auf, dass sich etwas ändern muss in der Kommunikationslandschaft.

Das Dilemma der Redaktionen

Redaktionsprofis – ob in Verlagen oder Agenturen – werden es kaum hinnehmen, sich von Text-Robotern ersetzen zu lassen. Das brauchen sie auch nicht, denn sie sind erfahren, inhaltlich kompetent und vernetzt. Sie können Situationen aufgrund von Fakten, Erfahrungen und Erkenntnissen so kommentieren, beschreiben und analysieren, wie es die Roboter nicht können werden. Denn diese sind immer abhängig von ihren Programmierern und den zugewiesenen Fakten, die ihnen redaktionelles Leben einhauchen.

Dennoch müssen sich auch die Redaktionsprofis weiterentwickeln und dürfen sich nicht auf ihrem Fachwissen ausruhen. Denn das Internet besteht auch aus kompetenten Mitbewerbern, wenngleich auch in geringerer Anzahl als die Möchtegern-Größen, aber immerhin groß genug, um den eigenen Rang streitig zu machen. Und sie müssen zusehen, dass sie im Internet mitmischen, Beiträge schreiben für Online und Print, Bloggen und Kommentieren, sich in sozialen Netzwerken engagieren, usf.

Das Dilemma der Unternehmen

Um kommerziell erfolgreich in den Märkten agieren zu können, müssen Unternehmen einerseits ihre Produkte verkaufen und andererseits Kosten sparen. Im kommunikativen Sektor stehen beide Faktoren aber im starken Widerspruch. Die Produkte lassen sich am besten verkaufen, wenn sie optimal in den jeweiligen Märkten kommuniziert werden. Das geht aber nicht mit beliebigen Texten, von Maschinen generiert. Allenthalben dienen die zur Verbreitung der Information. Eine gute redaktionelle Überarbeitung der Informationen ist bei der Kommunikation wünschenswert. Nur wird das immer schwieriger, weil sich Verlage und Profi-Portale immer weniger gute Redakteure leisten können. Denn die Unternehmen wollen ja nicht zahlen. Weder für Redaktion – die soll ja neutral sein -, noch für Anzeigen in Printmedien – die verlieren anscheinend Leser – uns schon gar nicht Online – denn da ist ohnehin alles umsonst. Und Bannerwerbung kann abgeschaltet werden. Im Grunde genommen sägen die Unternehmen damit den Ast ab, auf dem sie sitzen. Auf lange Sicht lässt sich so nicht gut kommunizieren.

Da helfen auch Agenturen nicht sonderlich weiter. Leiden die Verlage, leiden die Agenturen. Pleiten, Zusammenschlüsse und immer wieder Neuerfindungen sind die Folgen. Da kann man so viel erfinden wie man will, wenn es kaum noch Abnehmer gibt, kann nicht kommuniziert werden. Im Moment verwischt noch ein Überangebot an Informations-, News- und Nachrichtenportalen die Netzwirklichkeit, aber wenn nichts verdient wird, werden viele dieser Portale austrocknen.

Das Dilemma der Redaktions-Roboter

Können nun Redaktions-Roboter helfen? Bei dieser Gemengelage ist das klar zu verneinen. Sie sind von ihrem Herrn und Meister abhängig, der sie mit Algorithmen und Fakten füttert. Ist der Informationskörper klar strukturiert, können aus den Fakten Texte generiert werden, die brauchbar sind. Besonders wenn eine kleine Redaktion viele Standard-Nachrichten ausgeben muss, können sie hilfreich sein. Alles was darüber hinausgeht, wenn es um die Einordnung von Fakten in einen situativen, zeitlichen, gesellschaftlichen Kontext geht oder wenn Ereignisse aus emotionaler Sicht betrachtet werden müssen, kommt man mit Robotern nicht weiter. Denn dazu muss man auch so formulieren können, dass die Leserinnen und Leser  erkennen, was zwischen den Zeilen steht. Und dieser Segen ist den Maschinen (noch) nicht gegeben.

 

(Copyright: RM-Communication)

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